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Die vermeintlich nur lokale Bedeutung des Pustertaler Malers Simon von Taisten und im Besonderen seine Freskierung der Kapelle von Schloss Bruck schienen seit Jahrzehnten hinlänglich geklärt, als Leo Andergassen vor 20 Jahren den wissenschaftlichen Konsens mehrerer Generationen in Zweifel zog: Offenbar sei den Gelehrten nicht aufgefallen, dass sie fälschlicherweise einen ungeschliffenen Grobian als „fürstlichen Kunstgönner“ adelten. Das Freskenprogramm der Kapelle betone deren memorialen Charakter und sei erst von König Maximilian I. in Erinnerung an Leonhard, den an Kunst kaum interessierten letzten Grafen von Görz, nach dessen Ableben im Jahr 1500 in Auftrag gegeben worden. Als Beleg wurde u.a. eine 1507 datierte Forderung Simons von Taisten bezüglich einer Bemalung des „Hauses“ Graf Leonhards ins Treffen geführt. Einspruch wurde einzig von Meinrad Pizzinini erhoben, der sich auf ein Graffito mit der Jahreszahl 1509 berief, das wohl kaum in die eben fertiggestellte Wandmalerei geritzt worden sei.
Schrift, Bild und Gedächtnis beruht auf dem internationalen Kolloquium „Graffiti als terminus ante quem“, an dem im Oktober 2021 Geschichtswissenschaftler die Graffiti-Forschung als noch junges, für künftige Kooperationen jedoch unverzichtbares Fachgebiet inaugurierten. Anna Maria Petutschnig hat nicht weniger als 720 sekundär angebrachte Kleininschriften in der Kapelle von Schloss Bruck aufgenommen und bestätigt, was man schon bei Pizzinini hätte nachlesen können: Das älteste Graffito enthält die Jahreszahl 1498 und damit den terminus ante quem für das Fresko, auf dem es angebracht ist. Bezüglich der Autorschaft der Fresken ergab sich zudem eine neue überraschende Hypothese. |