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Wie lebten orthodoxe Christen ihre Religiosität in der atheistischen Sowjetunion der Kriegs- und Nachkriegszeit, nachdem in den Jahren des Terrors die meisten Kirchen geschlossen und viele Priester verhaftet worden waren?
Orthodoxer Glaube und religiöse Praktiken waren, anders als es die Bolschewiki vorhergesagt hatten, nicht tot. Sie lebten nur unter anderen Bedingungen und jenseits der Kirchenräume fort. Wallfahrten, Andachten und religiöse Feste schufen eigene Zeiten und Räume, die dem Zugriff des Staates weitgehend entzogen waren. Doch religiöses Leben und die atheistische Sowjetunion mussten nicht im Widerspruch stehen. Dies zeigte sich, nachdem die sowjetische Führung im Herbst 1943 eine scharfe Kehrtwende im Verhältnis zur Religion vollzogen hatte, u.a., um den westlichen Verbündeten entgegenzukommen. Sie erlaubte die Wiederwahl eines Patriarchen und die Wiederherstellung der Kirchenstrukturen und schuf damit neue Bedingungen für orthodoxe Christen in der Sowjetunion. Damit vergrößerte sich der Spielraum für alle Akteure: Orthodoxe Gläubige bezogen in Abhängigkeit von ihrem Verhältnis zum sowjetischen Staat Stellung für oder gegen das nun von der Parteispitze unterstützte Moskauer Patriarchat; Priester gingen Allianzen mit staatlichen Vertretern ein und griffen mitunter auf die Ressourcen des Staates zurück; der Staat selbst schwankte zwischen Ablehnung und Duldung der Kirche und bestimmter kirchlicher Praktiken. Doch dies erzeugte nicht nur neue Spannungen. Viele Christen in der Sowjetunion beanspruchten nunmehr gesellschaftliche Normalität und Akzeptanz. In der Folge entstand eine neue gesellschaftliche Gruppe, die man als „sowjetische Gläubige“ bezeichnen könnte. |